Ein Anruf von Tante Hannelore:
Morgens um acht. Ich erkenne den Anruf von Tante Hannelore schon am sympathischen Klingeln. Meine Tante Hannelore hat Bedenken, dass ihr Klavierspiel die anderen Nachbarn stören könnte, zumal sie seit 14 Tagen ihrem Hobby verstärkt nachgeht. Ihre Nachbarin Trude und den alten Herbert stört das nicht, da sie eh schwerhörig sind. Aber sie weiß nicht, was die jungen Leute über ihr denken. Sie möchte für den Fall der Fälle auf der sicheren Seite des Rechts sein. Sie fragt mich: Wie viel Klavierspielen ist im Wohnungseigentum erlaubt?
Die Faktenlage:
Zunächst einmal gilt Musik als Emission in Form von Geräusch. Und dann gilt § 364 Abs. 2 ABGB. Dieser fragt:
a) Ist nach den örtlichen Verhältnissen das gewöhnliche Maß überschritten?
b) Ist die ortsübliche Benutzung […] wesentlich beeinträchtigt?
Für einen Verstoß muss beides erfüllt sein (logische UND-Verknüpfung).
Zu a): Was ist das gewöhnliche Maß?
Das ist zunächst einmal die Länge des Musizierens. Tägliche 4 h haben gute Chancen, das ortsübliche Maß einzuhalten, 6 h weniger. Aber alles unterliegt der Einzelfallentscheidung und ist Ansichtssache.
Wohnt man in China-Town, ist die fernöstliche Musk wohl eher als ortsüblich anzusehen als (abendländische) klassische Musik. Nun haben wir kein China-Town. Aber ist das Wienerlied das Pendant für Döbling? Und was gilt in Favoriten oder Simmering?
Zu b): Was bedeutet: „…die ortsübliche Benutzung […] wesentlich beeinträchtigt…“ ?
Übersetzen könnte man das: Wie sehr stört es? VORSICHT: Es gilt hier nicht die subjektive Wahrnehmung des gestörten Nachbarn. Vielmehr gilt die „Empfindung eines fiktiven Durchschnittsmenschen“. Wirklich greifbar ist das nicht.
All diese butterweichen Kriterien lassen sich vielleicht noch objektivieren, indem man feststellt, wieviel % der Wohnfläche mit welchen Schallpegeln (in dBA) belastet sind – doch es bleibt ein großer Ermessensspielraum.
Aber es gibt auch entschiedene Fälle, in denen die Richter bereits geurteilt haben: die Judikatur.
Konkret haben die OGH-Richter letztens den bisherigen Richtwert von täglichen 4 auf 6 Stunden für einen Einzelfall ausgeweitet (5 Ob 210/21z). Grund: Es wurden vorsorglich schalldämmende Maßnahmen getroffen, um weniger zu stören. Das hatte das Gericht anerkannt.
Meine Antwort für Tante Hannelore:
Wie immer antworte ich Tante Hannelore in diesem Blog. Dann kann sie ihn an Ihre Freundinnen weiterleiten.
Liebe Tante Hannelore,
Das ist eine kaum konkret beantwortbare Frage. Mit maximal 4 h täglich bist Du wahrscheinlich auf der sicheren Seite.
Besser ist es, wenn Du selber auf deine Nachbarn zugehst und sie nett fragst, wie sie dazu stehen. Vielleicht lädst Du sie zu Kaffee, Kuchen und Rachmaninows (zugegeben, etwas expressiverem) Präludium in cis-Moll ein, damit sie es auch mal mit allen Feinheiten erfahren und genießen können.
Weiterhin ist es empfehlenswert, die Schallausbreitung auf deiner Seite zu mindern. Du könntest einen professionellen Akustiker beauftragen. Oder Du hängst zwischen Klavier-Rückseite und (tragender) Wand einen dicken Teppich auf und stellst dein Klavier einfach auf eine Platte mit Styroporunterseite (Achtung Stolpergefahr). Das sollte einiges an Dämmung bewirken.
Vielleicht hilft Dir hier Onkel Helmut.
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Eines vorweg: Erbschaft und Steuern können beliebig kompliziert sein. Hier kann nur der ganz einfache Fall skizziert werden.
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Liebe Tante Hannelore, ich habe gute Nachrichten für Deine Nachbarin Trude: